Intuition und Dauerregen-Ratschläge in der Schwangerschaft
Die Schwangerschaft ist eine besondere Zeit. Egal wie eine Frau durch ihr Leben geht, so viele Veränderungen fordern heraus, bringen einen an seine Grenzen und darüber hinaus. Sich mit neuem Leben zu beschäftigen, kann Platz für Neues schaffen. Unabhängig davon, wie lange die Schwangerschaft dauert, ob man sie sich einfach herbei wünscht oder schlussendlich mit Baby Zuhause ankommt. Neuer Platz für ein neues Du oder eines, dass schon immer da war und neu kennengelernt werden darf. Alltagstage lassen für das Leben selbst schnell mal etwas zu wenig Platz und vielleicht kann uns nichts mehr voll und ganz zu uns zurück bringen als das Leben selbst. Unerwartet, unplanbar und in guten wie in schwierigen Zeit, wie man so schön sagt - genauso wie eine Schwangerschaft.
In unserem Alltag sind wir uns oft gewöhnt, unser Verhalten, unseren Tagesablauf, ja nicht selten sogar unsere Gefühle von dem um uns herum steuern zu lassen. Unsere Handys klingeln für uns zur Aufstehzeit, wir können nachlesen, was wir wann essen sollen und der rote Iphone Herzchen Button kann uns genau sagen, wann wir uns für den Tag genug bewegt haben. Ich habe eine Freundin, die sagte mir mal: „Manchmal laufe ich Zuhause noch etwas im Kreis, damit ich meine Schrittzahl für den Tag zusammen habe, um mich gut zu fühlen.“ Simpel. Vielleicht würden wir als Zirkustiere mit Dompteur ja endlich so richtig zufrieden sein können.
Rückmeldungen von anderen bestimmen nicht selten, ob wir einen Tag für erfolgreich halten oder nicht und geben uns auch gleich unser Feierabend-Gefühl mit. Wenn wir nicht acht geben, kann es schnell passieren, dass wir das Aussen unser Innen bestimmen lassen und unser Selbstwertgefühl anhand unseres gesellschaftlichen Status messen, was in der Schwangerschaft zu besonders vielen Unsicherheiten führen kann. Klar, Meditation, Selbstliebe und #me-time sind total im Trend. Aber ganz ehrlich, ein Trend kommt oft Hand in Hand mit einem gewissen Druck. Und genau das lässt sich mit wahrer Selbstliebe doch irgendwie schwierig vereinen. Ist es nicht oft so, dass es besonders bewundernswert wird, wenn jemand seine Sporteinheit jeden Tag schafft? Dass es extrem wichtig scheint, beim meditieren in der richtigen Position zu sitzen und dies auch noch möglichst eine Stunde oder mehr? Wer mit den Gedanken dabei abschweift, erfüllt für sich selbst oft nicht den vorgegebenen meditativen Zustand. „Ist wohl einfach nichts für mich“, denken da viele und laufen stattdessen lieber weiter nach Dompteur. Da weiss man dann auch wenigstens, dass man mit einem Applaus rechnen darf, wenn man sich an die Regeln hält. Und wenn etwas gelingt, kann das tolle Gefühl von Aussen und auf sozialen Netzwerken noch etwas hoch gelikt werden. Einfachere, schnellere Befriedigung als sich immer wieder mit sich selbst hinzusetzen.
Wie überall gilt aber auch hier nicht Einseitigkeit. Ich bin mir sicher, dass gerade auch durch soziale Medien und Trends viele den genau für sie passenden Weg überhaupt erst kennen lernen dürfen. Dank gezielt ausgesuchten Instagram Profilen und Reiseblogs bin ich zum Beispiel der Überzeugung, dass Reisen mit Kindern und unserem gelben Bus für unsere Familie absolut im Bereich des Möglichen liegt. Ob ich auch so darüber denken würde, wenn ich nur die Stimmen um mich herum anhören würde, weiss ich nicht. „Das wirst du dann auch anders sehen, wenn du dann erst Kinder hast“, „dann ist das alles nicht mehr möglich“ oder „ich will dir jetzt nicht deine Illusionen nehmen, aber…“. Sätze die sich ohne andere Ansichten vielleicht trotz integrierter Schutzschilder in mein Unterbewusstsein schleichen könnten. Sowieso scheinen beim Thema Kinder plötzlich viele zu vergessen, dass man schon vor dem Eltern dasein meist völlig verschiedene Leben führte.
Ich bin der festen Überzeugung, dass mit all den Möglichkeiten heute noch so viel mehr Zufriedenheit da sein könnte. Oft fehlt uns einfach ein innerer Kompass, der uns zu dem führt, was wirklich zu uns passt. Grosse Möglichkeiten bringen grosse Verantwortung - oder so was in der Art. Ob das eine starke Intuition, das Unterbewusstsein oder ein Bauchgefühl ist, spielt keine Rolle. Hauptsache es kommt aus unserem Inneren, denn nur das kann uns schlussendlich zu dem für uns passenden Äusseren führen.
Die Schwangerschaft ist eine Zeit der besonderen Herausforderung für den inneren Kompass und gleichzeitig eine lohnenswerte Möglichkeit ihn feiner einzustellen. Einer Frau mit Babybauch wird von unserer Gesellschaft fast schon automatisch eine grosse Portion Intuition und Mutterinstinkt vorausgesetzt. Eine Intuition die im Alltag nicht selten gelernt wurde zu unterdrücken und dann urplötzlich eine befruchtete Eizelle später einfach da sein muss und zu einer guten Mutter zu gehören scheint. Eine wahre Herausforderung, wenn vielleicht noch gar nie gelernt wurde überhaupt einmal ein starkes Gefühl für sich selbst zu entwickeln.
Gleichzeitig fallen Ratschläge wie Dauerregen von Aussen herein und wer sich wirklich einen eigenen intuitiven Weg aussucht, erntet oftmals vorschnell skeptische Blicke. Langes Stillen? Oh weh. Kein Stillen? Also wirklich! Es ist doch genau so, wie schon im ganzen Leben sonst. Ob bei körperlichen Veränderungen in der Pubertät bis hin zur momentanen Corona Impfsituation - die wenigsten wollen am Anfang oder Ende dran sein. Das Mittelmass passt am einfachsten hinein und verlangt keine langen Erklärungen. Ein Nachlaufen ohne den Stress zu spät zu kommen. Gemütlich, sicher und akzeptiert. Fast so als würde man sagen: “Liebe Mütter, bitte paart eure Intuition mit systemtauglicher Anpassung. Zu intuitiv und positiv soll das Ganze ja dann doch auch nicht werden, schliesslich geht es vielen auch nicht anders.”
Aber hey, wir können auch sagen: “Nein danke, für mich nicht!” Das Schöne ist ja, dass es wohl sowieso unmöglich ist, alles im richtigen Mass zusammen zu bringen. Also warum es nicht auch gleich ungetan lassen und es gar nicht erst probieren? Ich bin dafür, sich seinen Weg nach seinem eigenen Kompass zu bahnen und das Privileg zu nutzen, es sowieso nie allen recht machen zu können. Und wenn das nicht nach Dompteur-Laufen schief läuft? Naja, ein anständiges Mass an Stolpern soll im Leben ja auch nicht zu kurz kommen und dann doch lieber über die eigenen Steine.