Wenn die Lust in der Beziehung verschwindet
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Kennst du diese Momente, wenn du neben jemandem liegst, den du liebst, und dich trotzdem einsam fühlst?
Du teilst das Leben mit jemandem, die Wohnung, deine Alltagssorgen. Ihr lacht zusammen beim Frühstück. Aber wenn es um Nähe geht, um Berührung, um Sex – da ist plötzlich eine Leere. Eine stille Distanz, über die vielleicht niemand spricht.
Möglicherweise ist es schon Monate so. Vielleicht schleicht sich in dir immer wieder die Frage ein: Ist das noch normal? Liegt es an mir? Bin ich einfach nicht mehr verliebt? Und bereits vor dem Ins-Bett-Gehen kommt da dieses bedrückende Gefühl des "wir sollten doch mal wieder".
Lustlosigkeit in der Beziehung ist ein sehr häufiges Thema, das Menschen zu mir in die Beratung führt. Und gleichzeitig eines der am wenigsten ausgesprochenen – als müsste man sich dafür schämen, dass die Leidenschaft irgendwann leiser geworden ist. Doch in Wahrheit ist Lustlosigkeit in Langzeitbeziehungen etwas vom Natürlichsten überhaupt.
Lustlosigkeit ist kein persönliches Versagen. Sie ist ein Signal. Ein Hinweis darauf, dass etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist – und eine Chance, die Beziehung zu vertiefen.
Warum die Lust verschwindet
Die Antwort ist selten einfach. Meistens ist es ein Zusammenspiel verschiedener Ebenen:
Wenn Körper und Nervensystem erschöpft sind
Unser autonomes Nervensystem entscheidet, ob wir uns sicher genug fühlen für Intimität. Wenn du ständig im Stress bist, wenn der Kopf nicht aufhört zu rattern, wenn die Erschöpfung tief in den Knochen sitzt – dann bleibt der Körper im Überlebensmodus. Sexualität fühlt sich dann nicht wie eine Einladung an, sondern wie eine weitere Anforderung auf der langen Liste.
Du kennst das vielleicht: Nach einem Tag, der zu lang war, zu voll, zu laut. Du kommst nach Hause, und alles in dir sagt nur: Lass mich in Ruhe.
Wenn aus Abenteuer Alltag wird
Am Anfang war alles neu. Aufregend. Voller Entdeckungen. Doch irgendwann wird aus dem Abenteuer Routine. Aus der Geliebten wird die Person, mit der man über verstopfte Abflüsse und Steuererklärungen spricht. Das ist nicht schlimm – es ist das Leben. Es ist Bindung.
Doch sexuelle Lust braucht oft eine gewisse Distanz, um sich zu entfalten. Eine sichere Bindung zu einem oder mehreren Menschen ist in gewisser Weise ein Gegenpol zur Erotik. Stelle dir einmal vor, wir haben alle eine Art innere Frequenz. Wenn wir mit jemandem zusammenleben, Alltag und Freizeit teilen, uns miteinander sicher fühlen, gleichen sich diese Frequenzen einander an. Das ist schön – doch es macht uns auch manchmal faul.
Eine Beziehung wird somit zu einem ständigen Tanz zwischen Bindung und Erotik.
Wenn Erotik und Gleichberechtigung aufeinandertreffen
Gleichberechtigung hat heute einen hohen Wert, und wir wollen Beziehungen auf Augenhöhe. Diese Werte spiegeln sich auch in der Sexualität vieler Paarbeziehungen wider. Doch Erotik und Lust sind quasi Gegenspielerinnen dieser Werte. Die Erotik lebt vom Ungewissen, vom nicht ganz Fassbaren, von Machtgefällen und dem Verborgenen.
Das heißt nicht, dass wir Gleichberechtigung aufgeben sollten – sondern dass wir lernen können, im intimen Raum auch mit anderen Dynamiken zu spielen.
Wenn alte Wunden und innere Stimmen sprechen
Manchmal ist Lustlosigkeit auch eine stille Verweigerung. Ein unausgesprochenes "Nein" zu etwas, das in der Beziehung nicht stimmt. Vielleicht gibt es Verletzungen, die nie geheilt wurden. Vielleicht fühlst du dich nicht gesehen. Vielleicht hast du das Gefühl, deine Bedürfnisse zählen nicht.
Der Körper lügt nicht. Wenn sich das Herz verschließt, verschließt sich oft auch die Sexualität.
Dazu kommen die inneren Stimmen – Glaubenssätze, die wir alle mit uns herumtragen: "Nach so vielen Jahren ist das normal." "Ich sollte eigentlich Lust haben." "Vielleicht stimmt etwas nicht mit mir." "Mein Körper sieht nicht mehr attraktiv aus."
Diese Stimmen erzeugen Druck. Und Druck ist das Gegenteil von Lust.
Was Lustlosigkeit nicht bedeutet
Lass mich etwas klarstellen, bevor wir weitergehen:
Lustlosigkeit bedeutet nicht, dass du nicht mehr liebst.
Sie bedeutet nicht, dass deine Beziehung gescheitert ist.
Sie bedeutet nicht, dass mit dir etwas falsch ist.
Lustlosigkeit ist ein Zustand. Und Zustände können sich verändern – wenn wir bereit sind, genauer hinzuschauen.
Ein Weg zurück zur Lebendigkeit
In meiner Arbeit als Sexualberaterin in Zürich schaue ich mit dir auf alle Ebenen – Körper, Geist und Emotionen. Meist arbeite ich mit Menschen im Einzelsetting, denn oft liegt der Schlüssel in dir selbst. Manchmal macht es Sinn, auch deinen Partnerin einzubeziehen – aber nur, wenn es für den Prozess wichtig ist.
Den Körper wieder spüren
Viele Menschen haben den Kontakt zu ihrem Körper verloren. Sie funktionieren, leisten, erledigen – aber spüren sich selbst kaum noch. Wie viel Lust empfindest du gegenüber deinem eigenen Körper? Spürst du ihn im Alltag?
Mit körperzentrierten Methoden – Atemübungen, Achtsamkeit, sanften Bewegungen – kannst du wieder lernen, die feinen Signale deines Körpers wahrzunehmen:
Was tut mir gut? Wo spüre ich Anspannung? Wie ist die Beziehung zu meinem Geschlecht? Was erregt mich? Wo gibt es ein leises Kribbeln, ein Ja?
Dein Nervensystem braucht das Gefühl von Sicherheit, um Lust zuzulassen. Manchmal reicht schon eine bewusste Pause, ein tiefer Atemzug, um aus dem Stress herauszufinden.
Den Druck rausnehmen
Einer der größten Lust-Killer ist das Gefühl, etwas leisten zu müssen. Sexualität wird zur Pflicht – und genau dann verschwindet sie.
Vielleicht hilft es, den Fokus zu verschieben: Weg von "Wir müssen Sex haben" hin zu "Was würde sich jetzt gut anfühlen?"
Das kann bedeuten:
Eine Weile auf Geschlechtsverkehr zu verzichten und andere Formen von Berührung spielerisch zu erkunden
Neugierig zu werden, ohne Erwartung
Sich Zeit zu nehmen – ohne Ziel
Manchmal entsteht Lust genau dann, wenn wir aufhören, sie zu erzwingen.
Mit deinem Partner oder deiner Partnerin sprechen
Ich weiß, das fühlt sich verletzlich an. Über Lustlosigkeit zu sprechen bedeutet, etwas zuzugeben, das man lieber verstecken würde.
Doch Schweigen baut mehr Distanz auf als ehrliche Worte.
Es braucht nicht viel. Manchmal reicht ein Satz: "Ich merke, dass bei mir die Lust weniger geworden ist. Und ich möchte verstehen, warum. Lass uns gemeinsam schauen."
Wenn das schwer fällt, kann es helfen, sich Unterstützung zu holen. Oft reichen schon wenige Sitzungen, um wieder ins Gespräch zu kommen – mit sich selbst und miteinander.
Die tieferen Schichten
Manchmal liegt Lustlosigkeit tiefer. Vielleicht gibt es alte Erfahrungen, die noch nicht verarbeitet sind. Vielleicht gibt es Überzeugungen aus der Kindheit, die dich heute noch blockieren.
Mit Hypnose können wir sanft auf diese Schichten schauen – nicht um sie zu analysieren, sondern um ihnen Raum zu geben. Um das, was lange verschüttet war, wieder zu integrieren.
Die spirituelle Dimension
Sexualität ist nicht nur Körper. Sie ist auch Energie. Verbundenheit. Ein Zugang zu etwas Größerem.
In der tantrischen Tradition gilt Sexualität als Lebenskraft – als eine Energie, die durch den ganzen Körper fließen kann, wenn wir uns öffnen. Im Tantra hat alles einen Sinn, und auch Lustlosigkeit lehrt uns etwas.
Das bedeutet nicht, dass du meditieren oder tantrische Rituale vollziehen musst. Es ist einfach eine Einladung zu forschen: Was will mir meine Lustlosigkeit sagen? Wozu genau sage ich nein? Zur Routine, zur Langeweile, zu Streitereien im Alltag? Was passiert, wenn ich nicht auf ein Ziel fokussiere, sondern auf das Spüren im Moment?
Es gibt nicht die eine Lösung
Jede Beziehung ist anders. Jeder Körper ist anders. Jede Geschichte ist einzigartig.
Doch eines ist sicher: Du musst das nicht alleine durchstehen. Und du musst dich nicht damit abfinden, dass "es halt so ist".
Lustlosigkeit kann ein Ruf sein – ein Hinweis darauf, genauer hinzuschauen. Und manchmal braucht es eine Begleitung, um zu verstehen, was dein Körper, dein Herz oder deine Beziehung wirklich braucht.
Wenn du Unterstützung möchtest
In meiner Praxis in Zürich begleite ich Menschen dabei, ihre Sexualität auf die für sie zutiefst passende Art wiederzuentdecken – ohne Druck, ohne Bewertung, in deinem eigenen Tempo.
Die meisten kommen alleine zu mir. Wir schauen gemeinsam, was dein Körper braucht, was dein Herz braucht. Und wenn es für deinen Prozess sinnvoll ist, kann auch deine Partnerin dazukommen.
Denn Sexualität ist kein Leistungssport. Sie ist ein Ausdruck deiner Lebendigkeit – und die darf sich immer wieder neu entfalten.
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Nora Ermatinger | Praxis Du | Psychologische Beratung, Sexualberatung & Hypnose in Zürich