Was hat Gestalttherapie mit Tantra zu tun?

Kennst du das Gefühl, dir manchmal selbst fremd zu werden? Dieses Gefühl, in Rollen gefangen zu sein, die nicht wirklich zu dir passen? Oder die Sehnsucht nach einem Leben, das sich authentischer anfühlt? Ich glaube fest, dass ein grosser Teil unserer täglichen Herausforderung daraus entstehen, dass wir nicht ganz uns selbst sein dürfen oder glauben, es nicht sein zu dürfen.

Die Gestalttherapie sowie die tantrische Philosophie teilen eine Grundhaltung, die für mich der Boden meiner Arbeit sowie meines privaten Lebens geworden ist: Alles darf da sein.

Die Gestalttherapie: Begegnung mit dem, was ist
Fritz Perls, der Begründer der Gestalttherapie, prägte den Satz: "Ich bin ich, und du bist du." Diese scheinbar einfachen Worte bergen eine tiefe Weisheit: Wir dürfen sein, wer wir wirklich sind – ohne uns zu verbiegen, ohne uns zu verstellen, ohne Teile von uns zu verstecken.

Die gestalttherapeutische Haltung lädt uns ein:

  • Präsent zu sein mit allem, was gerade da ist – auch mit dem Unangenehmen

  • Neugierig zu werden auf unsere Gefühle, Bedürfnisse und Impulse - alles hat seinen Sinn

  • Verantwortung zu übernehmen für unser eigenes Erleben, ohne andere dafür verantwortlich zu machen

  • Kontakt aufzunehmen – mit uns selbst und anderen, authentisch und ohne Masken

Tantra: Die Welt als heiliger Raum
Tantra wird oft missverstanden als reine Sexualpraktik. Es ist aber eine jahrtausendealte Philosophie, die das Leben in seiner Ganzheit als heilig betrachtet. Im Tantra gibt es keine Trennung zwischen "spirituell" und "weltlich", zwischen "gut" und "schlecht". Alles ist Ausdruck des Göttlichen – unsere Freude genauso wie unser Schmerz, unsere Liebe genauso wie unsere Wut.

Die tantrische Haltung lädt uns ein:

  • Alles anzunehmen, was das Leben uns bringt

  • Energie bewusst wahrzunehmen und fließen zu lassen, statt sie zu blockieren

  • Das Heilige im Alltäglichen zu entdecken

  • Polaritäten zu integrieren statt sie zu bekämpfen

Wo sich beide Wege treffen: Die Kunst des vollständigen Ja
Sowohl Gestalttherapie als auch Tantra laden uns zu einem radikalen Ja ein – einem Ja zu uns selbst, zu unserem vollen Menschsein, zu der Komplexität unseres Seins. Das bedeutet nicht, dass wir alles gut finden müssen, was in uns oder um uns geschieht. Es bedeutet, dass wir lernen, auch mit dem zu sein, was schwierig ist. Da ist es sowieso. Drücken wir etwas weg, stecken wir bloss Energie rein.

Praktische Einladungen für den Alltag:
Körpergewahrsein entwickeln: Beide Traditionen betonen die Weisheit des Körpers. Nehmen Sie sich mehrmals täglich einen Moment, um zu spüren: Wie fühlt sich mein Körper gerade an? Was will er mir mitteilen?

Gefühle willkommen heißen: Statt schwierige Gefühle wegzuschieben, können wir neugierig werden: "Aha, da ist Wut/Trauer/Angst. Wie fühlt sich das in meinem Körper an? Was braucht dieses Gefühl von mir?"

Authentische Begegnung wagen: In Gesprächen können wir experimentieren: Wie wäre es, wenn ich einfach sage, was wirklich da ist, statt das, was erwartet wird?

Wenn das Leben bunter wird
Was ich an diesem Weg schätze: Er kann uns das Leben erleichtern und es so viel bunter machen, wenn wir uns darauf einlassen. Wir müssen nicht mehr perfekt sein und dürfen alle Teile, Emotionen und Gedanken da sein lassen. Gleichzeitig kann dieser Weg herausfordernd sein, denn er verlangt Mut – den Mut, sich selbst und anderen authentisch zu begegnen. Ich glaube nicht, dass dies eine radikale Änderung unseres Lebens braucht, sondern viel mehr ein immer mal wieder ausprobieren und neu lernen zu sich zu stehen. In Momenten der Wut, der Trauer, der Gereiztheit bei sich zu bleiben und sich nicht dafür zu verurteilen.

Ich erlebe es immer wieder als großes Geschenk, wenn ich wieder einmal tiefer entdecke: Ich darf sein, wie ich bin. Meine Widersprüche, meine Verletzlichkeit, meine Kraft – alles hat Platz. Das ist für mich der Beginn wahrer Lebendigkeit. Ich finde, das Leben ist zu kurz, um es nicht in seiner vollen Gänze zu erforschen.

Einladung zur Selbsterforschung
Frage dich einmal selbst:

  • Welche Teile von mir verstecke ich vor der Welt?

  • Was würde geschehen, wenn ich diesen Teilen erlauben würde, gesehen zu werden?

  • Wie würde sich mein Leben anfühlen, wenn ich weniger Energie darauf verwenden würde, "richtig" zu sein, und mehr darauf, authentisch zu sein?

Viel Freude beim bunt sein!

Weiter
Weiter

Raum der Begegnung - Gruppenabende